Nach dem heutigen Stand der Technik haben sich folgende Charakteristika eines Scharfschützengewehres herauskristallisiert (z.B. SSG G22 von Accuracy): Kaliber: .223” Rem., .308” Win, .300“ WinMag, .50” BMG System: bewährter Zylinderverschluss (Repetierer) mit solider Bettung im Schaft Lauf: freischwingend gelagert, starker Aussendurchmesser (Bull Barrel) Schaft: verzugsfrei aus Kunststoff oder Schichtholz, verstellbar, federnd Abzug:Flinten- oder Druckpunktabzug, Widerstand unter 2.000 Gramm Optik: 3 - 12fache Vergrösserung, MilDot Target Absehen Präzision: max. 30mm auf 100 Meter bei warmem Lauf Der Scharfschütze als Einzelkämpfer
Die Scharfschützen werden entweder alleine oder paarweise eingesetzt (Zusammenarbeit beim Beobachten, Schießen, Tarnen und Stellungsbau). Ein Scharfschütze wird dabei den Schuss wahrnehmen, während der andere die Trefferlage und die Umgebung beobachtet ("Spotter"). In besonderen Lagen können die Scharfschützen der Züge zu einer Scharfschützengruppe zusammengefasst werden. Ausnahmsweise kann ein Scharfschütze auch einzeln eingesetzt werden. Besser ist jedoch, in einem solchen Fall, dem Scharfschützen wenigstens noch einen fähigen Gewehrschützen zur Seite zu stellen. Den Scharfschützen ist durch den Zugführer ein Kampfauftrag zu geben. Im Rahmen dieses Kampfauftrages handeln die Scharfschützen dann selbstständig. Im Rahmen eines Kampfauftrages muss den Scharfschützen die Stellungswahl überlassen bleiben. Es ist ihnen ein "Stellungsraum" oder "Bewegungsstreifen" zuzuteilen. Die Scharfschützen suchen im Rahmen ihres Kampfauftrages stets die gefährlichsten Ziele oder solche, deren Ausfall dem Feind am meisten Schaden zufügt. Der Scharfschütze schießt aus einer Stellung höchstens 3-6 Schuss. Er muss deshalb über mehrere, gedeckt erreichbare Wechselstellungen verfügen. Scharfschützen gehen niemals neben dem MG oder der schweren Panzerfaust in Stellung (Schwerpunktwaffen ziehen feindliches Feuer auf sich und werden leicht aufgeklärt). Werden die Scharfschützen abgesetzt vom Zuge eingesetzt, so kann für sie "freie Jagd" befohlen werden. Der Scharfschütze sucht sich dann seine Ziele selbst und bekämpft sie selbstständig.
Scharfschützen im 1. und 2. Weltkrieg Während zu Beginn des Ersten Weltkrieges das Hauptaugenmerk auf die das Feuer aus grossen Entfernungen gelegt wurde, wurde die Idee des Scharfschützen durch den Übergang vom Bewegungs- zu Graben- und Stellungskrieg neu belebt. In Ermangelung von speziellen Scharfschützengewehren wurden zunächst Jagdgewehre umfunktioniert und eingesetzt. Zusammen mit den Maschinengewehren beherrschten sie das Schlachtfeld. Es galt, das Niemandsland im Grabenvorfeld zwischen den Linien zu beherrschen, und den Gegner in Deckung zu zwingen.
War die Reichswehr nach dem Ende des Ersten Weltkrieges noch mit 12 Zielfernrohren pro Bataillon ausgerüstet, so entscheid sich die Heeresleitung 1932, diese ersatzlos abzuschaffen wegen angeblichen geringen taktischen Wertes. Man erkannte die Zeichen der Zeit noch nicht. Erst die Erfahrungen der Wehrmacht am Anfang des Zweiten Weltkrieges liess die Notwendigkeit von Scharfschützen deutlich werden. Nach dem Beginn des Russlandfeldzuges und dem ersten Auftauchen von gut ausgebildeten, gut ausgerüsteten russischen Scharfschützen musste in kurzer Zeit Versäumtes nachgeholt werden. Der deutsche Karabiner 98k wurde mit einer Vielzahl von Optiken ausgerüstet, die mehr oder weniger optimal für den feldmässigen Einsatz geeignet waren. Die meisten Scharfschützen bevorzugten für den gezielten Einzelschuss eine 4- oder 6fache Optik. Der eigentliche Scharfschützeneinsatz erfolgte recht unabhängig von der Bataillonsebene aus, wo die Schützen in einem entsprechenden Zug zusammengefasst wurden und schwerpunktmässig eingesetzt werden konnten. Auf der Ebene der Kampfkompanien kamen zusätzlich noch Zielfernrohrschützen zum Einsatz. Scharfschützen in den begrenzten Kriegen nach 1945 Nach den Ende des Zweiten Weltkrieges änderte sich nicht nur das Feindbild im Rahmen des Ost-West-Konfliktes sondern auch die Aufgabenstellung der Scharfschützen. Es entstand eine Reihe von Kolonial-, Busch- und Kleinkriegen, die ein optimales Feld für den Einsatz von Scharfschützen bedeuteten. Im Koreakrieg und zu Beginn des Vietnamkrieges wurden noch die im Zweiten Weltkrieg benutzten Scharfschützenwaffen aus den Arsenalen geholt und recht erfolgreich eingesetzt. Im weiteren Verlauf des Vietnamkrieges zeigte es sich jedoch, dass die Einführung neuer, speziell entwickelter Scharfschützengewehre notwendig wurde. Dabei stellten die ungewohnten Einsatzbedingungen im Dschungel besondere Anforderungen an die Waffentechnik.
Scharfschützen im polizeilichen Bereich
Während der militärische Scharfschütze in erster Linie ein „Jäger“ ist, der sich seine Ziele nach Belieben aussuchen kann und für den es im Grunde unwesentlich ist, ob er seinen Gegner tötet oder nur verletzt, ist der Einsatz des Polizeischützen ganz anderen Bedingungen unterworfen. Der Polizeischütze kommt nur als reagierendes Element polizeilicher Massnahmen zum Einsatz, d.h. wesentliche Gewaltakte wie Geiselnahmen oder Attentate müssen sich bereits ereignet haben, um überhaupt die gesetzlichen Rahmenbedingungen für diese Form der Anwendung unmittelbaren Zwanges zu erfüllen. Sein Einsatz gilt nicht dem Tod des Täters, sondern der Abwendung einer unmittelbaren Gewalt.
Gegenwärtige und zukünftige Entwicklung Wie die Erfahrung aus dem Zweiten Weltkrieg und den Kriegen der Nachkriegszeit zeigt, ist der vermehrte Einsatz von Scharfschützen im Truppenverband unerlässlich, sowohl im offenen als auch im bebauten Gelände. Der Überlegenheit eines Gegners oder der speziellen Aufgabe innerhalb heutiger Streitkräfte im rahmen der Nato kann nur mit der flexiblen Ausnutzung aller möglichen Widerstandsmittel begegnet werden. Auch unter der besonderen Berücksichtigung von begrenzten Kriegen bzw. der Durchsetzung von friedenserhaltenden Massnahmen ist die Notwendigkeit von Scharfschützen offensichtlich. Dipl.-oec. Ralph W. Göhlert , Militärhistorischer Arbeitskreis, RK Ratingen ... |